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Es beginnt mit einer Idee - kopfbunt

Freitag, 15. Mai 2009 um 16:10 Uhr

Bericht von der FMX und ITFS 2009

itfs-fmx

Zu Besuch auf der FMX und ITFS mit Alexander Gellner. Alex hat einen persönlichen und interessanten Erfahrungsbericht von den Animations-Konferenzen verfasst und ihn als ersten Gastbeitrag auf kopfbunt für euch zur Verfügung gestellt.

Alexander Gellner aka Gellnerism ist Animationsass und professioneller Illustrator. Schaut euch auf jeden Fall seine Arbeiten auf gellnerism.de an und jetzt viel Spaß auf der nachträglichen Kurzreise zur FMX und ITFS.

Come in and find wieder raus?!

Letzte Woche fand mit der FMX und dem Internationalen Trickfilmfestival Stuttgart (ITFS) die wichtigste europäische Konferenz für Visual Effects & Animation und ein großes, international renommiertes Festival zusammen statt. Die FMX, ganz klar an eine Fachpublikum gerichtet, fuhr vier Tage lang Hochkaräter aus allen Teilen der Welt auf, vermehrt aber aus Europa und USA. Im Haus der Wirtschaft liefen stündlich bis zu neun Vorträge, Screenings und Workshops parallel.

Die Konferenz war locker in Teilbereiche wie Recruiting, Tech Talk, Screening, Digital Media, School Presentation, Animation, Previsualisation, Echtzeit, Interactive, Audio oder Visual Composing eingeteilt, damit man sich etwas besser orientieren konnte. Denn von sehr nerdigem 3D- Productionpipeline-Geschrote bis allgemeinverständlichen Gesprächsrunden zu Gamedesign war ziemlich alles dabei was man braucht und nicht braucht. In einem eigenen Bereich präsentierten sich Hochschulen und Firmen für Soft- und Hardware und die Ausstellung „Into the Pixel“ über die Kunst der Videospiele gab den ganzen den kulturellen Unterbau. Das Programm als PDF.

Die (oder das?) ITFS ist ein klassisches Publikumsfestival mit verschiedenen Screening in fünf Hauptsälen der Metropol- und Gloriakinos. Auch hier gab es begleitend Workshops wie „Tricks for Kids“, wo Kinder ab acht Jahren einen kleinen Trickfilm produziert haben, oder die „Crazy Horse Challenge“ für größere Animatoren, die mit dem Logotier (1# Video) der ITFS ihren Schabernack treiben durfen. Weitere Talks, ein Themenschwerpunkt „100 Jahre deutscher Animationsfilm“, Konzerte und Partys rundeten das Angebot ab. Für eine vollständige Übersicht bitte Klickung machen.


(#1 Video)

So sind wir also gute sechs Tage zwischen Haus der Wirtschaft, Kinosälen und Imbissbuden hin und her gerannt, so ein bisschen wie Kinder im Süßigkeitenladen, so ein bisschen wie Windhunde auf der Rennbahn. Als vielseitig interessierte Kombiticketbesucher wußten wir, dass uns die sehr technischen Talks der FMX weniger interessieren würden und das Kinderprogramm der ITFS haben wir auch ausgelassen. Ich hab immer das Gefühl, dass Leute, die in Serien für Vorschüler machen irgendwie kaputt sind. Aber nicht auf die gute Art.

Von der großen Gala und dem Paintballfilm

Mit der Eröffnungsfeier der ITFS fing es für uns richtig an an. Dort wurde der erste Wettbewerbsblock gezeigt, unter anderem der Film Orgesticulanismus von Mathieu Labaye’s. Unglaublich gut. Ich finde immer wieder Sachen, die mir vorher nicht aufgefallen sind. Unterbrochen wurden die Vorführungen von den obligatorischen Vertretern aus Politik und Wirtschaft, die ihr Stelldichein gaben. Die Kulturbürgermeisterin von Stuttgart durfte auch auf die Bühne und sagen, dass Stuttgart ja nicht nur Kehrwoche und Maultaschen sei, sondern ein toller Medienstandort mit einem hippen Nachtleben für die jungen Leute und so. Man war beeindruckt.

Auch gäbe es ja gute Computerspiele, wo die Kinder was lernen könnten und nicht nur diese bösen Gewaltspiele. Ich werde ja gar nicht mehr sauer, wenn Politiker Computerspiele und Kinderpornos gleichsetzten, ist wie ein Beißreflex, da können die nicht für. Ein Minimü böse war ich dann aber doch darüber, dass der Trailer der diesjährigen ITFS nicht gezeigt wurde, aus Solidarität gegenüber der Opfer von Winnenden, hieß es. Im eigentlich sehr süßen Clip spielen kleine Characters Paintball (Video #2). Ich kann ja verstehen, dass für ein großes Festival der gute Wille der Politik, der Medien und einiger Sponsoren sehr wichtig ist.


(video #2)

Aber sollte man deswegen in vorauseilendem Gehorsam alles glatt machen, was die Trickfilmszene ausmacht? Muss man, sobald ein paar Bonzen mitspielen, jede potentielle Ecke, die sich aus der Natur der Sache ergibt, abfeilen? Nur weil man nie so genau wissen kann, ob die BILD nicht aus der Kombi Politik und Paintball eine schöne Schlagzeile schnitzen kann, wurde genau das getan. Das Festival arbeitet traditionell eng mit der Filmakademie Baden-Württemberg zusammen, deren Studenten die Trailer herstellen, es bereichern und sich so gleich präsentieren können. Und sind Arbeiten sind oft von unglaublich hoher Qualität.

Um Stuttgart und Ludwigsburg hat sich ein nettes kleines Gemauschel gebildet, aus international renommiertes Studios, die oft eng mit der Hochschule zusammenarbeiten, was der Stadt natürlich ansehen und Standortvorteile bringt und Ludwigsburg wohl zur einzigen staatlichen Filmhochschule macht, die mit Schulen wie Goeblin, Supinfocom oder CalArts ernsthaft konkurrieren kann. Das alles läuft so geschmiert, dass man so ein wichtiges Event natürlich auch möglichst geschmeidig gestalten will. Dann wird halt mal ein Film nicht gezeigt. Was soll’s, gibt ja noch genug andere.

Verfeinert wurde das Spektakel mit der Bekanntgabe des neuen Preises für den besten Synchronsprecher. So kann man wenigstens mal ein paar Namen und fette Dschungel Camp Moderatoren ins Festival holen – by the Power of Boulevardpresse weiß jetzt jeder, Stuttgart ist sowas von It.

Samurais und Brieffreundschaften

Also Gala war verkackt aus meiner Sicht, aber dafür sind wir ja auch nicht angereist. Um aber grob beim Gewaltthema zu bleiben, sag ich ganz unchronologisch mal was zum Film „Afro Samurai: Resurection“, den wir uns am Freitag angetan haben. Was für ein Schlonz! Ich meine, ich liebe „Ninja Scroll“, „Samurai Chambloo“ und „Cowboy Bebop“, von denen die Macher dieser amerikanischen Produktion reichlich klauen.

Nur weil RZA wieder den Soundtrack macht und Samuel Jackson den Afro spricht, muss man sich das nicht antun. Der Film wiederholt sich nach 20 Minuten, ist selber eine Kopie des ersten Teils, hat wirklich nichts originelles und zelebriert Gewalt um ihrer selbst Willen. Da hat keiner was gegen gesagt. NEIN! Das wäre ja Zensur.

Viel, viel besser und origineller war da der australische Stopmotionfilm Mary and Max von Adam Elliot. Den muss man sich einfach angucken, wenn man ein wenig auf verschrobenen Humor und ungewöhnlich Stories steht. Es geht um die ungewöhnliche Brieffreundschaft zwischen der jungen Mary und dem übergewichtigen, mental herausgeforderte (ja, heute ist Englischeindeutschtag!) Max. Wahrscheinlich wird der Samuraiafro mit seinem Blood and Tits Marketing aber mehr Geld machen. Es ist wohl schon Teil 3 geplant und von einer Realverfilmung wird auch schon gemunkelt. Leider gewinnen nicht immer die Guten.

Gucken und Anfassen

Auch gut gefallen konnten Igor (Exodus) und „Bolt“ (Disney), die zwar große dramaturgische Ähnlichkeiten aufwiesen aber beide für sich Spaß gemacht haben. Am Freitag hielt Disney Art Director Paul A Felix übrigens einen sehr interessanten Vortrag zum Look von Bolt. Er zeigte, wie die Designer dem Film einen sehr malerischen Look geben wollten, präsentierte auch sehr beeindruckende Rendertests, wo man das Gefühl hatte, die Kamera führe durch ein Edward Hopper Gemälde. Sehr cool.

Er zeigte auch, dass es aber Probleme gab, die malerische Umgebung mit den fotorealistisch gerenderten Figuren zu verbinden, weswegen der malerische Look immer weiter verdrängt wurde. Zur Frage aus dem Publikum, warum man dann nicht die Characters etwas malerischer gestaltet habe, sagte er, sie hätten zu wenig Zeit für die komplizierte Technik gehabt und sind dann letztlich bei ihren Leisten geblieben. Finde ich gut, mal etwas ehrliches zu hören.

Auf diese Art ergänzten sich viele Filme und Vorträge miteinander, was für mich der beste Grund ist, mal auf das Festival zu kommen. Selbst wenn man nicht wegen der Businesskontakte auf die FMX kommt oder sich als Student nach Perspektiven erkundigt, ist es einfach wahnsinnig interessant, zu gucken, wie die Leute so drauf sind, welche die Special Effects für Watchmen machen. Oder an „Gears of War“ basteln. Oder die Liveshows für Massive Attack gestalten.

Auch Independentpate Bill Plympton war wieder am Start, zeigte seinen Film „Idiots and Angels“ und verteilte pfleißig seine Karten und Zeichnungen. Der Film ist stilistisch eine Weiterentwicklung, hatte auch wieder die kruden Ideen drin, für die College Boys Plympton seit Jahren vergöttern. Aber weggehauen wie „I married a Strange Person“ oderMutant Aliens damals hat „Idiots and Angels“ mich nicht.

Zwei der interessantesten Vorträge haben wir dann auch auf der ITFS erlebt. Der erste war eine dreistündiger Drehbuchworkshop für Animationslangfilme von Phil Parker, für den wir Vorträge von den Machern von „Waltz with Bashir“ und „Wall-E“ und „Little Big Planet“ sausen lassen haben. Wahnsinnig interessant. David Surman erzählte uns, wie man Animationen und Videospielen produziert, was die Gemeinsamkeiten und Differenzen sind. Auch hier konnte man eine Menge mitnehmen und Surman ist ein sehr sympathisches und erfahrenes Kerlchen.

Intellectual Meister Property und Welten zum Eintauchen

Die FMX bot derweil die 5D Conference als eigenen Block am Donnerstag an. Diese beschäftigte sich in sechs zusammenhängenden Gesprächsrunden mit Themen wie „Designing Immersive Experiences“, „Interface as Experience“, „Visual Arts and Science“ „Intellectual Property“. Der Überbegriff für die offen gestalteten Diskussionsrunden drehten sich um das Thema Immersive Design, was soviel heißt, wie die Gestaltung von Erlebnissen, in die man eintauchen kann. Folglich ging es auch um viele Bereiche.

Von Displaygestaltung über Virtuelle Welten der Zukunft und Leitsysteme zu Event- und Architekturdesign wurd über vieles gesprochen. Die Talks waren nicht immer kohärent, dafür aber dynamisch und offenbarten viele Einblicke in ganz verschiedene Aspekte der immersiven Gestaltung, wobei sie Künstler, Designer, Architekten, Programmierer, Psychologen, Ingenieure und viele andere Berufsgruppen an einen Tisch bringt, um die Kommunikationsprozesse ganzheitlicher Systeme bearbeiten zu können.

Immersive Gameplay war auch bei den vielen Talks und Vorträgen immer ein Begriff, der überall herausgequollen kam. Buzzwords ftw. Ich war ein wenig erstaunt, dass für viele Speaker und Experten auf der FMX Immersive Gaming heißt, dass die Graphik möglichst gut und die Gesichter toll gerendert sind. Viele der Sprecher kamen aus den Visual Effects bzw. Art Departments ihrer Firmen, und hatten nicht wirklich einen Plan davon, wann Videospiele Spaß machen. Die Frage, was ein Spiel spielenswert macht, ist ja eine offene und viel diskutierte und dass auf einer Konferenz für Visuelle Effekte vor allem anderen das Visuelle im Vordergrund steht, ist auch verständlich.

Der Sache dient die einseitig geführte Diskussion aber nicht. Zum Thema Videospiele habe ich leider keinen Vortrag gesehen, der Erkenntnisse einbrachte. Der Vortrag von Habib Zaragarpour (EA) zum Thema „Production Design in Games vs Films“ gab aber Einblicke in die Probleme mit denen Spieleentwickler zu kämpfen haben und offenbarte auch, warum es so wenig Innovationen im Gameplay gibt, während die Verpackung der Spiele ständig besser wird.

Seine Grundthese war, dass anders als im Film, wo man schon im Drehbuch einigermaßen einschätzen kann, ob der Film gut wird, man bei Spielen erst sehen kann wie gut das Spiel ist, wenn es fertig ist. Angesichts der hohen Entwicklungskosten sind große Experimenten also nicht möglich. Dass der Mann von EA kommt, der Mutter aller Fließbandspielehersteller, sagt da schon einiges. Obwohl, das neue Fifa ist richtig super und Burnout ist das perfekte Rennspiel.

Die Kleinen und die Großen

Auf FMX und ITFS wuselten viele kleine und mittlere Unternehmen zwischen den größten Playern der Branche herum. Pixar, Disney und Lucasarts zogen alleine durch ihre Namen große Menschenmassen, boten aber oft die uninteressantesten Vorträge. Wer meinte, dass er in einem Recruitment Screening von Pixar oder LucasArts große Einblicke bei seinen potentiellen Arbeitgebern bekommt, wurde enttäuscht. Die wandelnden Showreels großer Unternehmen hatten oft nicht viel mehr zu sagen als man auf den Websiten nachlesen kann.

Mehr konnte man von unbekannteren Studios mitnehmen. Mackevision zum Beispiel hat eine virtuelle Garage für BMW gebaut, in der die Karossen Karossen des Autobauers in digitaler Form stehen. Da Mackevision für viele Werbespots detailgetreue, virtuelle Nachbauten der Boliden aus München erstellen mussten, kam man irgendwann auf die Idee, auch Prototypen digital anzulegen, was dem Konzern nun auch bei der Entwicklung ihrer Prototypen hilft.

Der Spanier Raul Escalada von Nikodemo stellte in seinem Vortrag „How to Create Cartoons using Flash“ die Webserie Calico Electronico vor, die im spanischen Internet (genau!) sehr beliebt ist. Inspiriert von Webshows wie Homestar Runner baute sich das kleine Studio ein kleines Universum auf, dass viele treue Fans hat und mit 70 Millionen Hits weltweit auch eine alternative zum Content der Giganten aufzeigt.

Den Mittelpunkt bildeten ganz klar die großen Namen. Die FMX ist vor allem eine Industriekonferenz. Es geht auch um Animation und Games und spaßige Sachen, vorallem aber um Geld und Macht. Wer die kleinen, süßen, quirligen Indis will, muss in Stuttgart länger suchen als vielleicht bei Pictoplasma, der Berlinale oder den diversen Barcamps. Wer aber mal aus erster Hand sehen will, wie sich die größten der Branche präsentieren, der muss mindestens einmal dort gewesen sein.

Nächsten Jahr wieder?

Ich werde im nächsten Jahr wieder am Start sein, ob als Speaker oder Attendee. Wir hatten sehr viel Spaß, haben viele nette Leute kennen gelernt und Stuttgart präsentierte sich als sehr guter Gastgeber – teilweise hatte es sogar etwas vom Comicsalon Erlangen. Überall war irgendwas los, die Passagen gefüllt mit Menschen, die gerne Filme gucken und man hat alles in der Nähe. Die Partys waren sehr angenehm und anders als im letzten Jahr hatte ich nicht mehr das Gefühl, dass der Schwabe uns eigentlich nicht in seiner Stadt haben will.
So, das war meine letzte Woche aus der Egoperspektive. Wer vielleicht auch da war, oder sonst was zu sagen hat zum Thema, ich bin gespannt.

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