Typo Berlin – Du hast mich verzaubert
Mit gemischten Gefühlen bin ich zur TYPO Berlin 2010 gekommen. Das mag zum einen daran liegen, das ich dieses mal als Sprecher dort war und einen gesunden Respekt vor einem Vortrag dort hatte – um es nicht katastrophalen Erwartungsdruck mit panischen Dysphorie-Attacken zu betiteln. Ich hatte auch Bedenken, dass der durch die Typo 2006 gewonnene Mut und die Leidenschaft, durch die Typo 2010 negativ überschrieben wird. Vorweg: Die Typo 2010 wurde zu einem der berreicherndsten Erlebnisse in meinem Leben als Designer.
Was die Typo 2006 mit mir machte
Ich weiß nicht ob ihr euch vorstellen könnt, was mir der Vortrag auf der TYPO 2010 bedeutet hat. Was daran liegt, dass die Typo 2006 mein Leben sehr stark beeinflusst hat – nach der Typo 2006 war ich für das Design entflammt. Meine Leidenschaft für die Gestaltung wurde damals bestätigt durch viele Gleichgesinnte. Die leidenschaftlichen Vorträge der Sprecher vermittelten mir den Mut sich selbständig zu machen und nach Fehltritten immer wieder aufzustehen. Ich lernte den kindlichen Spieltrieb als wichtige Tugend eines Designers selbstbewusst nach außen zu präsentieren – Designer und Kreative sind professionelle Spielkinder – genau das wollte ich in Zukunft auch sein.
Aus dem Studium heraus machte ich mich mit einem Freund nach der Typo 2006 selbständig – wir saßen zwei Monate nach der Typo 2006 im Sommer am Strand und gingen einem Studentenjob nach – wir vermieteten Strandkörbe. Unterhielten uns über das, was uns nach dem Studium erwarten würde und was wir auf jeden Fall vermeiden wollten – in die Werbung gehen oder als Angestellter in einer Agentur ausgebeutet werden. Wir wollten Geschichten erleben wie die Jungs von karlssonwilker oder Rock n´Rol- Designer sein wie Simon Waterfall. Ideen vorantreiben und unser Leben selbst in die Hand nehmen – das eigene Leben zu gestalten – ein Traum, den ich schon zu Schulzeiten hatte.
Wieso bin eigentlich ausgerechnet ich zur Typo eingeladen worden? Die größte internationalen Designkonferenz Europas! Ich bin doch kein Fons Hickmann, kein Eike König, kein David Carson oder afrikanischer König. Wie gehe ich damit um, und was erwartet das Publikum von mir. Schmeißen sie mit Plastikflaschen nach mir wenn ich es verreiße oder schicken während meines Vortrags abwertende Tweets in die Welt, dass ich das Geld ihrer Eintrittskarte nicht Wert bin? Verlassen Zuhörer den Vortrag während ich spreche – wäre es ein sicheres Indiz dafür, dass ich wohl in Zukunft nicht wieder auf der Typo sein werde. Was ist mein Ziel des Vortrags? Was möchte ich gern weitergeben und bin ich überhaupt in der Lage dazu? Was passiert wenn es richtig gut läuft? Verändert die Typo 2010 mein Leben wieder so stark wie 2006?
Das sind nur einige der Gedanken die ich vorher hatte. Ich möchte euch einen Einblick in meine Gedankenwelt geben, meine Motivation aufzeigen, warum ich mich dem gestellt habe und es aus meiner Sicht fast verrissen hätte. Ich gestalte meine Designprojekte möglichst aus Sicht des Nutzers. So wollte ich möglichst meinem Vortrag gestalten. Das Thema war »Passion« (Leidenschaft) – alles was ich wollte war diese Leidenschaft auf das Publikum übertragen – darin lag die Herausforderung. Mein Vortrag »Designer x.0 – Ein Leitfaden zur Etablierung im Web« lässt viel Raum für Interpretation. Erwarten die Besucher der Typo jetzt, dass ich DEN Weg zum Erfolg aufzeige? Oha, dass wird spannend.
Ich wollte es besonders gut machen. Viel Zeit in den Vortrag investieren und das Vorsprechen üben. Ich kürze es mal ab. Aus geplanten 2-3 Wochen Vorbereitung wurden dann 2-3 Tage, aufgrund meiner Diplompräsentation, meines Umzugs in das neue Büro und dem mir vorher gesteckten Ziel meine neue Website – maltechristensen.com vor der Typo zu relaunchen + eine Portion Ladehemmungen – was mich doch etwas nervös werden ließ.
Mit Florian habe ich dann meinen ersten Tag auf der Typo verbracht – ich war dann ziemlich beeindruckt von der Masse der Menschen die wahrscheinlich jede Menge Erwartungen für ihr Eintrittsgeld mitgebracht hatten – schön! Die Vorträge waren super und das kopfkino ging los.
Weil ich ein großer Fan von Adrenalin bin und nach meinem ersten Tag auf der Typo noch ein paar neue Ideen für meinen Vortrag am Folgetag hatte, habe ich mich dann um 22:00 Uhr abends dazu entschlossen meinen Vortrag noch einmal komplett zu überarbeiten. Um 4:30 Uhr Morgens war ich dann fertig. Kein Problem – Technikcheck für mich war ja erst um 10:00 Uhr – aaaaaaaaah! Gute Nacht … wenigstens für ein paar Stunden.
13:00 Uhr – noch 30min – Der Saal ist voll und ich bin in einem Themenblock mit Oliver Reichenstein (@ia) von den Informationarchitects, der extra aus Japan eingeflogen ist und sehr souverän über gefriergetrocknetes Webdesign referierte. Jetzt komm also ich an die Reihe – Showtime!
Aus Nervosität wird Power – ich spüre die Energie, die in mir ausgeschüttet wird. Ich will doch »nur« das erzählen, was ich aus Leidenschaft die letzten Jahre getan habe – durchatmen. Das habe ich getan und mich auf die Bühne gestellt. Leider bekommt man selbst fast nichts vom eigenen Vortrag mit – nicht einmal das Publikum sieht man im Scheinwerferlicht. Die zahlreichen Emails, die ich im Nachhinein bekam, das persönliche Feedback von den Besuchern nach dem Vortrag und ein gutes Bauchgefühl geben mir allerdings ein Gespür, dass es ganz gut gelaufen ist.
Inhaltlich ging mein Vortrag über das Erfolgsrezept meines Schaffens – den Zufall. Besonders gefreut hat mich deshalb der Anruf von Benjamin Weigl aus dem Allgäu, den ich in die Präsentation mit integriert hatte. Er bekam am Morgen eine Email von einer Person, die er vor zwölf Jahren im Robinson Club in Griechenland kennengelernt hat. Diese Person saß in meinem Vortrag und hat ihn dort wiedererkannt und ihn rein zufällig danach kontaktiert – großartig!
Ein weiterer Auszug aus einer Email, die ich nach der Typo bekam:
[…] zu deinem Vortrag: Er war so superleicht und flüssig mit DEM Designer-Charme, den man sich wünscht. Und als du sagtest: “Sprecht mich an, schreibt mir”, haben die Leute in meiner Reihe schon leicht geklatscht. Nach so viel Ellenbogen-Agenturen/Designer ist das “Gemeinsame” bzw. die “gemeinsame Branche” wieder viel stärker. Also vielen Dank für den Denkanstoß. Ich denke wenn man mit so viel Elan an die Arbeit geht ist es schon berauschend. Und das “Menschliche” – wie auch bei Alessio – hat mich wieder vom stupiden Gestalten wachgerüttelt. […]
Ziel erreicht – der Kreislauf ist geschlossen. Ich konnte einigen Besuchern das mit auf den Weg geben, was meine wichtigsten Antriebskräfte als Designer sind – Begeisterung und Motivation. Die Typo 2010 war für mich mehr als leidenschaftlich. Mein persönlicher Dank gilt dem Team der Typo für die professionelle Organisation, den zahlreichen Gästen und den leidenschaftlichen Vorträgen der anderen Sprecher, die das Format überhaupt erst möglich machen. Es waren wundervolle Tage von denen ich mein Leben lang zehren werde.
Falls jemand von euch den Vortrag gesehen hat, würde ich mich über persönliches Feedback freuen. P.s. Eine Vertiefung meines Vortrags und die Slides kommen in den nächsten Tagen – ich bitte euch um etwas Geduld.
Weitere Infos zur Typo und zu Vorträgen gibts auf dem TypoBlog.
(Fotos: Nadine Rossa)
patrick (#)
27. Mai 2010, 00:07 Uhr
hej malte, sehr guter vortrag auf jeden fall! fand ich gut! viele grüße aus mainz!
Antwort
Malte Christensen (#)
27. Mai 2010, 00:09 Uhr
Moin Patrick, vielen Dank – ich hoffe wir bekommen beim DMIG-Projekt noch mal die Gelegenheit zusammen zu arbeiten. Würde mich freuen!
Antwort
patrick (#)
27. Mai 2010, 00:20 Uhr
na klar! hat mich auch gefreut dich mal endlich persönlich kennen zu lernen..
Antwort
Jeriko (#)
27. Mai 2010, 00:52 Uhr
Hab den Vortrag nicht gesehen – wie auch? – aber wenn du nur 50% von der Leidenschaft, die ich von dir kenne, rüber gebracht hast, dann kann das überhaupt nicht schlecht gewesen sein!
Antwort
Nadine (#)
27. Mai 2010, 08:33 Uhr
Hihi, du hast ja mine Super verwackelten Schnappschüsse verwendet, aber irgendwie bildet das Foto dich auch perfekt ab :-) Schön war’s.
P.S. Wo ist mein Avatar-Bild hin?
Antwort
Markus Reuter (#)
27. Mai 2010, 08:51 Uhr
Wow, ich bin stolz auf dich, ehrlich, denn ich glaube auch, dass dies ein weiter Schritt war für dich und deine “Karriere” oder eher für deine Passion als Designer!
Ich freu mich auf die intensiven Gespräche mit dir live und ich Farbe.
Und eins ist klar, nächstes Jahr werde ich auch auf der Typo sein, so oder so! ;)
Antwort
Kai (#)
27. Mai 2010, 10:16 Uhr
Hey Malte, dafür gehen alle meine drei Daumen hoch! Einfach so weitermachen. Wirklich.
Antwort
Benjamin Weigl (#)
27. Mai 2010, 14:42 Uhr
Super Artikel Malte,
freut mich das dein Konzept „Zufall” funktioniert hat :-) Jedenfalls bei mir. Danke auch für die Integration im Vortrag. Wir sehen uns am Montag im grünen Allgäu.
Benjamin
Antwort
Philipp (#)
27. Mai 2010, 15:59 Uhr
Lustiges “Strichmännchen”.
Antwort
Malte Christensen (#)
27. Mai 2010, 18:00 Uhr
Danke für eure netten Worte.
@Nadine: Ich weiß nicht wo dein Gravatar geblieben ist? Kann ja eigentlich nur an der Emailadresse liegen.
Antwort
Anja Germershausen (#)
27. Mai 2010, 19:24 Uhr
Mensch Malte, ich gratuliere Dir!!! Ich bin nächstes Wochenende in Berlin. Vielleicht ist ja Zeit für einen Kaffee am Samstag Nachmittag und Du erzählst mir von Deinen Eindrücken??
Liebe Grüße, Anja
Antwort
Amin (#)
27. Mai 2010, 20:40 Uhr
Hey Malte,
habe deinen Vortrag aus der zweiten Reihe verflgt.. Ein Vortrag mit viel Charakter und gewisse leichtigkeit.
Hätte ich dich nach dem Vortrag bloß angesprochen…
Grüße aus Frankfurt
Amin
Antwort
Simon Wohler (#)
28. Mai 2010, 10:16 Uhr
Salü Malte
Ich sah den Vortrag – eine spannende Geschichte. Die Schlüsselfrage: existieren Zufälle wirklich?!
Grüsse aus der Schweiz
Simon
Antwort
Malte Christensen (#)
28. Mai 2010, 12:31 Uhr
@Anja Germershausen: Vielen Dank Anja :-) Anscheinend meint es das Schicksal nicht gut mit uns – ich bin nämlich grad auf dem Weg nach München, ins Allgäu und nach Köln. Ich bin allerdngs Mitte Juni noch in Hamburg und dann könnte ich auf einen Kaffee bei dir vorbeischauen.
Hallo @Amin: Vielen Dank für das Feedback. Ich war ein wenig enttäuscht, dass so wenig persönlicher Kontakt zwischen den Sprechern und dem Publikum zu stande kam. Deswegen hatte ich es extra im Vortrag noch angesprochen. Vielleicht bist du nächstes Jahr auch wieder auf der Typo? Dann sollten wir uns die Zeit einfach mal nehmen :-)
@Simon Wohler: Spannend ist es auf jeden Fall – ob es Zufälle gibt ist eine berechtigte Frage, die ich nicht glaubwürdig beantworten kann. Ich hab es in meinem Vortrag Zufall genannt, weil ich eigentlich nicht an Zufälle glaube und irgendwie schon. Die Dinge die mir auf meinem Weg passieren sind auf jeden Fall nicht planbar oder geplant – aber ich habe sie »provoziert«. Ich probiere mein best mögliches zu geben und es entstehen durch das Machen tolle neue Dinge und Möglichkeiten, die ich vorher nicht einmal geahnt habe. Ich hoffe das kam im Vortrag auch so bei dir an?
Antwort
Ben (#)
28. Mai 2010, 21:05 Uhr
Hallo Malte.
Bin total überrascht den Bericht zu lesen. Da hab ich was wiedergefunden ;)
Lasst uns mal den Countdown auf die Typo 2011 beginnen ;)
Grüße aus Baden-Württemberg ;)
Der Ben*
Antwort
Simon Wohler (#)
29. Mai 2010, 11:35 Uhr
@Malte Christensen: Ja, dass kam auf jeden Fall so bei mir an. Ich kann deine Vorgehensweise nur bejahen.
Ich habe mich nach deinem Referat gefragt, ob ich diese (beruflichen) “Zufälle” wirklich erkenne und die Chancen daraus nutzen kann. Beispielsweise ist es mir schon passiert, dass ich unerwartet eine Person kennen gelernt habe und mir später Fragen gestellt habe wie: Wieso hast du die Person getroffen? Wieso habe ich dies und jenes nicht gesagt? Wieso habe ich sie/ihn nicht gefragt, ob…? etc.
Gruss Simon
Antwort
Ben (#)
31. Mai 2010, 10:14 Uhr
@Simon Wohler: Schicksale gibt es immer wieder ;)
Antwort
Mia (#)
31. Mai 2010, 15:22 Uhr
zu gerne hätte ich mir das alles angehört
Antwort
Malte Christensen (#)
31. Mai 2010, 15:33 Uhr
@Mia: Warst du da? War auf jeden Fall super – vielleicht beim nächsten mal?
Antwort
lechriz (#)
17. Juni 2010, 18:48 Uhr
Hi Malte,
schade, ich habe deinen Vortrag leider nicht gesehen – obwohl ich dort war! Vielleicht gibt es ja eine Videoaufzeichnung??
Respekt und weiter voran!!!
hg
Chris
Antwort
Malte Christensen (#)
17. Juni 2010, 19:32 Uhr
@lechriz: Moin Herr Christian,
Du warst auch auf der TYPO? Schade, hätte ich gern mit dir unterhalten! Ich glaube nicht, dass es ein Video gibt, sicher bin ich mir allerdings nicht. Werde nächste Woche mal nachhaken – da treffe ich mich mit Jürgen Siebert.
Hab neulich vor einem deiner Werke gestanden – Circus Hostel – die TypoWand hat mich sehr geflasht!
Antwort